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„Totale Erschöpfung. Das Leiden der Post-Covid Gesellschaft“,1 titelte ein österreichisches Nach- richtenmagazin im Februar 2023. Kurz davor hatte eine deutsche Wochenzeitung Erschöpfung als aktuelles Lebensgefühl konstatiert und dabei festgestellt, dass alle gesellschaftlichen Gruppen davon betroffen sind.2 Die Gründe für dieses kollektive Empfinden von Überlastung und Ohn- macht sind vielfältig: Pandemie, Krieg in der Ukraine, Klimawandel, Energiekrise, Inflation, Patriarchat und so weiter sind Themen, die die Gesellschaft nachhaltig beeinflussen und ein permanentes Krisengefühl erzeugen.
Auf diese Erschöpfungsphänomene reagierte die Künstlerin Sophia Süßmilch mit ihrem Projekt Sanatorium Süßmilch auf sehr spezielle Weise. Sie richtete im Ausstellungsraum des Museums Francisco Carolinum in Linz ihr per- sönliches Sanatorium ein, eine „Mischung aus Psychiatrie, verkommenem Prinzessinnenschloss und Wellnesshotel“3 und wohnte dort einen Monat lang. Ihr Tagesablauf folgte dabei konse- quent einem selbst erstellten „Therapieplan“. Dieser beinhaltete Massagen, Saunagänge und Malen ebenso wie Gespräche als Angebot für Museumsbesucherinnen. An zwei Stunden am
Tag konnten diese das Sanatorium besuchen und am Leben der Künstlerin teilhaben. Während Sophia Süßmilch ihre tägliche Massage erhielt, nahmen die Gäste unter der Massageliege Platz und unterhielten sich mit ihr.
Bereits im Vorfeld des Aufenthalts hatte die Künstlerin eine Reihe von existenziellen Fragen zum gegenwärtigen Zustand der Welt mit fünf-
undzwanzig unterschiedlichen Gesprächspartne- rinnen erörtert, aus ihrem privaten Umfeld eben- so wie mit Expertinnen. Unter anderem Schrift- stellerinnen, Künstlerinnen, Unternehmerinnen, Musikerinnen, Politik- und Kulturwissenschaft- lerinnen und Sozialarbeiterinnen versuchten in diesen Gesprächen gemeinsam mit Sophia Süßmilch Lösungen für die drängendsten Proble- me der Welt zu finden. Ihr Ziel war es, aus den Antworten nichts Geringeres als eine allgemein- gültige Weltlösungsformel abzuleiten.
Erst nach den dreißig Tagen wurde die Aus- stellung tatsächlich eröffnet: Die Künstlerin zog aus, die Besucherinnen ein. Auf einer riesigen Mind Map erwartete sie – die ultimative Weltfor- mel mit den Lösungen für die Probleme der Menschheit. Ein Ansinnen, das naturgemäß zum Scheitern verurteilt war, jedoch in seiner Groß- spurigkeit die vermeintlich einfachen Lösungen, die die Politik mitunter als Heilsversprechen anpreist, persiflierte.
Die erwähnten Gespräche wurden als Videos im ersten Ausstellungsteil auf Monitoren gezeigt, wobei aus den zahlreichen sich überlagernden Soundquellen eine Kakophonie entstand, die die Unmöglichkeit einfacher Lösungen für die Pro- bleme der Menschheit metaphorisch unterstrich. Im ersten Raum der Ausstellung war außerdem ein riesiger Berg aus Ton zu sehen, der bei der Eröffnung der Ausstellung für eine Performance der Künstlerin diente.
Im Hauptraum der Ausstellung beeindruckte eine monumentale Bettskulptur, die Sophia Süßmilch als zentrales Element der Präsentation.
entworfen hatte und der eine Beschäftigung mit dem Motiv der Vagina dentata vorausging. Die große runde Matratze, durch eine Leiter zu er- klimmen, war innen von Zähnen und außen von wallendem Haar ummantelt. In diesem Raum befanden sich zudemdie großformatige Mind Map, die die Künstlerin anhand der Gespräche erstellt hatte, sowie eine Reihe von Fotos und gemalte Porträts der Gesprächspartnerinnen, die während ihres Aufenthalts im Museum ent- standen waren. Der dritte Raumbereich der Ausstellung schließlich diente als Therapieraum, hier waren die Sauna und die Liege installiert, auf der die tägliche Massage stattfand.
Mit diesen Räumen hatte Sophia Süßmilch nicht nur für ihren Aufenthalt im Museum ein ideales Setting geschaffen, sondern auch für ihre Performance Uterusparfait, den Höhepunkt des Eröffnungsabends. Nach diesem Abend verließ die Künstlerin die Ausstellung, sie war nun für das Publikum zu den regulären Besuchs- zeiten geöffnet.
Eine ganz wesentliche Rolle bei der Entwick- lung und Realisierung des gesamten Projekts und im Speziellen des bis ins Detail künstlerisch gestalteten Interieurs spielte Hektor Peljak vom Studio Peljak. Von ihm stammt nicht nur das
für die Ausstattung des Sanatoriums entwickelte Stoffdesign, sondern auch eine ganze Reihe von entscheidenden Anregungen, die das Projekt maßgeblich bestimmt haben.
Die Ausstellung SOPHIA SÜSSMILCH UND DAS LEBEN NACH DEM TOD zeigt einen breiten Einblick in das komplexe und diverse Werk der Künstlerin. Neben Malerei und Skulptur sind Textil-, Foto- und Videoarbeiten zu sehen, die die Räume der G2 Kunsthalle einnehmen und in den Bildkosmos Sophia Süßmilchs einführen.
This is what 15 years of deconstructing yourself looks like
Je suis Der kleine Mann
(Selbstbildnis mit Krokodil)
Pain, oida. So einen Pain wie diese Sophia Süßmilch in ihrem Kopf musst du erst mal haben.
Aber macht nix, wir verrotten ja alle irgendwie. Im Kapitalismus, und da ist ja der Kunstmarkt das Allerärgste, da muss funktionieren, muss muss muss, tack tack tack.
Und als Künstlerin, da musst du ja überhaupt die Allerbeste sein, etwas ganz Besonderes, hervorstechen aus der grauen Masse der Individualistensäue.
Da entsteht ein Druck, schon wenn du früh morgens die Äuglein aufmachst müssen dir die genialsten Gedanken kommen, wenn du dich mal fünf Minuten zu Ruh legen willst, dann ham sie dich schon alle überholt.
Ganz gewiss nicht darfst du es machen wie der kleine Mann: ein Leben führen. Bestehend aus vielen Teilen, die sich alle unterscheiden und abwechseln, bis das Leben wieder vorbei ist, alles normal.
Das Leben war vorbei in dem Moment als sie die Mappe für die Kunstakademie abgegeben hat.
Bäm Bäm Bäm, Süßmilch, komm hau die Brüste raus, ist dieses painting schon verkauft.
Der Pressure sitzt, jetzt wo die Frau bald 40 ist, fest in ihrem Schädel.
Denn auch wenn Sie ein Göttin sein möchte, sie ist doch nur ein Menschlein mit ihrem kaputten Schädel, der Ideen spucken muss.
Da fetzen die Bilder da faucht die Muschi, es rauschen die Nerven, noch spürt das Herz.
Der Glaube sitzt da in ihrem Herzen, dass geboren zum Genie sie nicht ist, dennoch, vielleicht, wenn Sie sich ganz ganz arg anstrengt, dann.
Hätte man sie doch nur einmal zur Klassensprecherin gewählt in ihrer Kleinstadt, es wäre die ganze Nummer mit Künstlerin pi pa po erspart geblieben.
Das Leben ist Leiden, ist Schädlweh: sitzt da festgebissen wie ein Krokodil das zu faul und zu blöd zum Laufen ist. Mappe abgegeben, Festgeschnappt. Hat es sich und sitzt seitdem dort.
Kennt ihr es schon? Kennt ihr es auch? In meinem Schmerz, da möchte ich nicht alleine sein.
Nicht musst du alleine sein, Sophia Süßmilch, weil ich bin du und du bist ich, ach sind wir nicht alle nur der Kleine Mann. Nur so ein Gedanke, Süßmilch, mitten im Schmerz, da sitzt er doch, der Gedanke „Kleiner Mann“ , der ist bei dir und ihr seid ohne Einsamkeit. Es ist der Gedanke, der zählt.
Sei Göttin, sei gut und normal, sagt er.
Das ist schön
Wir sind jetzt hier, Krokodil, Mann und ich.
Und im Pain
Da muss man nicht alleine sein.
Da teilen wir auf, weil gemeinsam ist man stark.
Kapitalismus freut sich auch, weil Arbeitsteilung Optimierung ist.
Der erste Gedanke des Tages muss stets sein:
Je suis moi, je suis toi, je suis Der kleine Mann.
Exhibition running from September 10th-October 23rd 2021
Exhibition Text
Sophia Süßmilch: Eins mit Mutter Natur
Since you are already here, please feel free to take off your shoes. Don ́t worry if your feet are a bit sweaty. It’s summer, it’s normal. Make yourself comfortable, have a look around. Take a seat. Feel right at home.
Sophia Süßmilch is just going to quickly finish painting this hand here. We have moved our chairs in a little closer together, the recording equipment is running. Sophia Süßmilch is supposed to say things about her exhibition but given how often she keeps casually adding brush strokes to the hand in question over the next 40 minutes, it’s pretty clear that she doesn’t really want to do what she’s supposed to be doing. Chances are that’s because there are other things that could be created in the meantime.
Become one with Mother Nature. Kneel down before creation. Dig the balls of your feet into the mire. Feel it, so squishy. Look, glistening, the sun. Listen, animals, copulating.
Sophia Süßmilch is neither one with mother nor with nature, but just to be on the safe side, why not squat in a tree, wrapped in a sheet. Hoot hoot goes the eagle owl. Roll around a bit on the forest floor. Thud. Maybe it will come, that feeling that everything here, right now, is just as it should be. And if it doesn’t, well then it was a good joke.
Look, the origin of life. The body from which diversity was born, disassembled into its component parts. Sacrifice, broken and yet still so powerful, as it lives on in its descendants. A face, a leg, a tit.
“I was being ironic, of course,” says Sophia Süßmilch. Yes, of course. Definitely. Ironic and serious, too. Sophia Süßmilch begins with what comes easily to her, continues on where she feels like, and in the end completes what is nothing less than a blueprint for a world. Finding satisfaction by filling up the surface. Opening up spaces by exhibiting one’s own work. You could call this an exercise of power or recognise the comforting gesture. “Do you want some rhubarb spritzer too, Anna? Come on, finish the water, drink it down. One is supposed to drink a lot anyway.”
Where is my place in the world? Is there a place for me in the world? I am somebody. I am somebody. I am loving. I want to be loved. Being in need, never wanting to be needy. Can’t you just be anyone? Better to be leprous, leprous, but elevated.
Yesterday, Sophia Süßmilch considered selling sausages to people – or becoming a guru.
With warmth, love and humour against all the discursive bullshit. I am the good Sophia, the light.
Text: Anna Meinecke Translation: Sophie Roberts
SPATZI SPEZIAL ( Sophia Süßmilch und Valentin Wagner) kuratieren im Rahmen des Galerien Festival „Curated By“ die Ausstellung „Bei Langeweile öfter mal das ABC aufsagen“. Hier trifft das Festival übergreifende Thema Comedy auf eine künstliche Reihung. Hier werden nicht Themen, zeitliche Abfolgen, Mengen oder Zusammenhänge der Arbeiten zum ausschlaggebenden Kriterium, hier diktiert uns das Alphabet seine künstliche Ordnung endlich vieler Objekte. Alpha und Omega. Auf diese Weise unterwandern SPATZI SPEZIAL gängige Formen des Zur- Schau-stellens, wie auch der Rezeption. Sie entziehen sich durch diese Weigerung nur scheinbar einem gewissen Diskurs, geben vor „das Spiel“ nicht mit zu spielen und scheitern kläglich. Ideengebend ist die Videoarbeit „Bei Langeweile öfter mal das ABC aufsagen“ von Sophia Süßmilch aus dem Jahr 2011. In diesem Video tritt Sophia, in einem Bienenkostüm verkleidet, in Coney Island in New York, vor die Kamera, und rezitiert gelangweilt das ABC . Am Ende sagt sie nüchtern: „Ja, sonst nicht viel los hier“ und tritt aus dem Bild.
Das Kabinett der Galerie verwandelt sich außerdem zu einem Gruselkabinett; die KünstlerInnen versuchen sich an einem Klassiker: dem Genre des Clownsportraits.
mit
Anna Mc Carthy
Anne Duk Hee Jordan
Matthias Böhler & Christian Orendt Christian Eisenberger
Christian Jankowski
Claudia Holzinger/Lilly Urbat
Brad Downey
Felix Burger
Frankfurter Hauptschule
Hoa Luong
Anna Ley
Julie Bender Herdina
Kristina Schmidt
Leon Höllhumer
Leona Boltes
Marcel Walldorf
Moritz Frei
Gabi Blum
Nouchka Wolf
Patricia Martsch
Sophia Süßmilch
Stefanie Sargnagel
Thomas Zipp
Valentin Wagner
Veli & Amos
Veronika Günther
Andrew Gilbert
First solo show at MARTINETZ running from September 4th 2020 until October 17th 2020
Sophia Süßmilch presents 29 works form A to Z plus Ä, Ö, Ü
Gabi Blum and Sophia Süßmilch take a trip through Texas in 2011. After their return, they rebuild a motel room in Akademiegalerie which is located in a subway station. The motel room is fully booked immeditately and there is No Vacancy.
pictures: Gabi Blum
pictures: Gabi Blum
Sophia Süßmilch helps to make St. Ulrich in Southern Tyrol more beautiful by bringing fresh equipment from her artistic pharmacy to the local village bar.
60 female artists turn the space into an artistic cabinet of wonder.
Curated by Projekt Perineum 2000 (Isabell Groß, Isabelle Pytell, Sophia Süßmilch)
Curated by Projekt Perineum 2000 (Isabell Groß, Isabelle Pytell, Sophia Süßmilch)